Inhalt: #3 – Herbst 2004
MARTIN ARNOLD
LISTENING ON THE EDGE: AFTER RUDOLF KOMOROUS
ANDRES BOSSHARD
DIE KUNST DES KLANGFLIEGENS
JOSÉ IGES
DAS KLANGOBJEKT IN DER RADIOKUNST
GEORG KLEIN
"... EHER SITUATION ALS WERK ..."
HANS PETER KUHN
WARUM KLANG UND WARUM DANN AUCH NOCH LICHT?
ROBERT HP PLATZ
GEDÄCHTNISZAPPING. BILDER IM KOPF
ASMUS TIETCHENS
MEHR ODER WENIGER STOCHASTISCH ODER
ÜBERRASCHUNGEN BEIM HERSTELLEN
ELEKTRO-AKUSTISCHER MUSIK
[…] Erste Unwägbarkeiten:
Das Material Seit das Geräusch sich von seinem ästhetischen Schattendasein emanzipiert hat und in kompositorische Prozesse mit einbezogen wird, hat sich das Spektrum klanglicher Gestaltung gegen Unendlich erweitert. Sowohl der instrumentalen wie auch insbesondere der Elektro-akustischen Musik steht ein Geräuschvorrat unabsehbarer Quantität und Qualität zur Verfügung. Wer immer auch mit Geräuschen arbeiten will und sich dabei nicht kanonisierter klanglicher Stereotypen bedient, hat stets aufs Neue die Qual der Wahl. Und nicht nur das, denn wählen zu können setzt Kenntnis voraus. Nun wird aber niemand behaupten wollen, alle nur möglichen Geräusche und deren Kombinationen, Ableitungen und Verformungen zu kennen, bestenfalls liegen Erfahrungen in bestimmten Klangsegmenten vor. Schöpfe ich als Komponist aus diesen, kann ich wählen. Will ich aber den mir bekannten Geräuschfundus erweitern, so verlasse ich das gewohnte Terrain und begebe mich in akustisches Neuland. Hier höre ich Klangobjekte, deren physikalische Eigenschaften mir zunächst völlig unbekannt sind und die als potentielle Kompositionsmodule solange nicht in Betracht kommen können, bis ich ihre Verfügbarkeit gründlich getestet habe. Dies vor allem mit Hinblick auf eine vielleicht zu realisierende Komposition. Natürlich habe ich zu Beginn jeder Testserie aufgrund meiner langen Praxis im Studio relativ fest umrissene Vorstellungen von der Handhabbarkeit des Materials. Und eben diese Vorstellungen werden immer wieder über den Haufen geworfen. Das ist gewiss nicht meiner Phantasielosigkeit geschuldet, sondern liegt in der buchstäblichen Unberechenbarkeit des Materials selbst. Und da nun einmal gründliche Materialkenntnis eine Grundvoraussetzung meiner Arbeit ist, resultiert aus dieser Herangehensweise ein bisweilen schneckenhaftes Arbeitstempo, will ich den Zufall nicht mit Willkür gleichsetzen; denn so methodisch ich das Material auch erforsche, die Ergebnisse erscheinen relativ zufällig, allerdings verwende ich sie entsprechend der jeweiligen Komposition nicht willkürlich. Das könnte in letzter Konsequenz auch bedeuten, dass ich eine Testserie abbreche, weil sich entweder das Material widersetzt oder aber, weil es sich als ungeeignet für die gerade anstehende Arbeit herausstellt. Schon in dieser Phase ist also der Zufall ein ständiger Weggenosse, und die Frage, ob ich das gerade jetzt hörbare Geräusch zulasse oder nicht, ist stets virulent.Zur Person
Pierre Schaeffer forderte, dem Ohr vor allem anderen den Vorrang zu geben. So bedeutet für mich denn auch methodische Materialerforschung nicht, die Geräusche wissenschaftlich zu „vermessen“, sondern sie gründlich wahrzunehmen als das, was sie sind. Dabei spielen Anmutungs- und Zeichenqualitäten oder gar Wirkung nicht die geringste Rolle. Nicht, dass ich „unter Abwesenheit jeglichen Lustgefühls“ (P16.D41) arbeiten würde, aber der Kopf muss stets kühl bleiben, will ich nicht Gefahr laufen, in längst vergangene Epochen zurückzustürzen.. […]
Excerpt from Asmus Tietchens: Mehr oder weniger stochastisch
Read more in the physical issue #3!