Inhalt: #11 – Herbst 2008
JÜRG FREY
UND WEITER GING'S
PETER KIEFER
MEHR SINN - MEHR WERT
ISABEL MUNDRY
ZWISCHEN OPER UND AVANTGARDE: EIN RISS
KOMBINATION ODER KOMPOSITION?
CHARLOTTE SEITHER
KONSTRUKTIVITÄT UND AUFSPALTUNG
SIMON STEEN-ANDERSEN
AUF DER SCHWELLE ZU ETWAS UNENDLICH KLEINEM
MANOS TSANGARIS
ZAUBERKASTEN, INITIAL
Radiogerät1 ein ...:
Zwischenfrequenz, piano... pianissimo.
Ich brauche Sie über die Vorzüge des Mediums Hörfunk hier nicht aufzuklären.Das schönste schwebende Theater, das man sich denken kann. Das man sich denken kann. Mit den schnellsten, freiesten Szenenwechseln auf der offensten aller Bühnen, der inneren Bühne, mit dem mobilsten und vielleicht auch dankbarsten Publikum, nämlich mir, dem Hörer.
Ich schalte jetzt auf Kurzwelle.
Als Kind, wenn ich krank und bettlägerig war, gab es dieses kleine Radiogerät am Kopfende, das sonst in der Küche stand. Ich begann damals meine Karriere als experimenteller Künstler, wie vielleicht einige von Ihnen, indem ich die Kurzwelle entdeckte, etwa zeitgleich mit Karlheinz Stockhausen, und spielte mit den Frequenzen und war mir sogar der Einmaligkeit, der Singularität meiner Empfangssituation durchaus bewusst. Nur ich, hier, jetzt, drehte an der Sendereinstellung und steuerte die glissandi und die Lautstärken. [1]
Und daneben die fernen Stimmen. Die Welt an meinem Ohr.Mittelwelle.
Was die Schaltungen so mit uns anstellen. Schaltungen außen, die man ein-, aus-, umschalten kann, und zwischen uns - und innen, wie es in mir schaltet. Ohne diese eingeschaltete Präsenz des Fernen, des Entfernten, das so mittelbar nah gerückt ist, hätte ich niemals begonnen, auch im musiktheatrischen Zusammenhang den Rezipienten als Schnittpunkt aller kompositorischen Linien auf seiner inneren Bühne zu bespielen und die Paramatrix der ihn umgebenden, einfangenden Schaltung in den Mittelpunkt meiner Stücke zu rücken, die sich übrigens oft wie Schaltkreise verhalten, eine Art filmischer Prozess im fünfdimensionalen Raum, der die Steuerung der gesamten Situation so traumhaft beweglich hält, wie es sonst vielleicht nur im Hörfunk möglich ist.
Langwelle.
„Begleitmedium“ sagt man heute. Ein Mittler, der bei oft minimaler räumlich-physischer Ausdehnung ein Maximum an Wirkung zeitigt. Wussten Sie, dass das Wort „Miniatur“ zunächst nichts mit minimal, Minimalisierung und Verkleinerung zu tun hat? Der Wortstamm ist minium, das lateinische Wort für Zinnober, Zinnoberrot, jene Farbe, die in mittelalterlichen Handschriften als Grundierung der Initialbuchstaben verwendet wurde, gleichwohl oft der „Schauplatz“ eines kleinen signifikanten Bildnisses, das ein entscheidendes Handlungs- oder symbolisches Moment des nachfolgenden Textes beinhaltete. Minimum als Grundierung für einen Anfang also, die Initiale. Genau so habe ich die Form der Miniatur auch immer verstanden. Sonst gäbe es ja auch im Gegensatz den Begriff der Maxiatur, wenn hier ausschließlich der Aspekt des Verkleinerns gemeint wäre, der selbstverständlich auch mitschwingt.
Ich schalte auf Ultra-Kurzwelle (heute sagt man FM).
Im Radio, oft ein kleines Ding, werden bisweilen Paläste oder Tempel gebaut. Das sollten wir uns nicht nehmen lassen.
Musik suchen
Das Gerät selbst ist schon, genau genommen, ein Wunder. Zunächst ein Haufen Drähte, Platinen, Kondensatoren, Gehäuse usw.. Es tut gar nichts, nimmt man nur die Summe der Einzelteile, ohne sie korrekt anzuschließen. Aber gewusst wie, und aus dem Kasten tönen plötzlich Welten. Der Kasten überschreitet sich selbst - überschreiten, trans ire, da greift schon der klassische Transzendenzbegriff.
Jetzt auf stereo schalten!
Excerpt from Manos Tsangaris: Zauberkasten, initial
Read more in the physical issue #11 !